Unter dem Puder echtes Gefühl - 40000 wollen zu Travestie-Star Mary
Sonntag, 13. September 1998
Welt am Sonntag 13.09.98 / Märkische Oderzeitung 16.09.98 (Lorenz Tomerius)
Triumphaler Applaus für Deutschland populärsten Travestie-Star. Im Theater am Kurfürstendamm begeistert Mary mit ihrer Show "Mary in Berlin" das Publikum. Sie genießt den Riesenbeifall.
Georg Preuße, der sie verkörpert ist für Ehrlichkeit auch bei dieser Kunstfigur.
Das führt bei Preuße auch zu politischer Nachdenklichkeit. Seine "Mary ist eine gestandene Frau mit eigenem Kopf, eigenen Gedanken. Die hat Charles Lewinsky in manchen Liedtext einfliesen lassen, und manche Conférence ist damit gesalzen. Wahlzeiten, Gewalt von Rechts und was man dagegen zu tun hat, sind im Geplauder nicht nur oberflächlich. Aids wird ein nachdenkliches Menetekel für Achtung und Menschenliebe. Mary ist nicht nur launische Diva in Pleureusen und Stöckelschuh. Nicht die Perücken, der Puder, das Verruchte, das Möchte-Mal-Böse- und Verworfensein machen sie aus. Der Witz liegt darin, dass Mary in diesem ganzen luxuriösen Show-Plunder den Verstand klar und ihr Herz mitfühlend gehalten hat. Mary hat sozusagen das Herz doch auf dem rechten Berliner Fleck. So sehr der Show-Glamour bewunderte Distanz schafft, so sehr empfindet das Publikum sie doch als "eine von uns". "Mary" ist ein Phänomen.
Welt am Sonntag 13.09.98 / Märkische Oderzeitung 16.09.98 (Lorenz Tomerius)
Mit stürmischen Beifall und "Standing Ovation" feierten die Zuschauer den Travestiekünstler Mary Morgen alias Georg Preuße auf seiner erfolgreichen Europatournee. "Sie bringt Hausfrauen zum Kreischen und Intellektuelle zum Glucksen, die Satirekönigin auf Stöckelschuhen, die sich in atemberaubendem Wechsel von der Salondame zur Sexbombe, von der Kodderschnauze zum Clown und vom Vamp zum Kind verwandelt. Sie ist witzig, zuweilen geschmacklos, charmant und ehrlich, und sie singt sich mit ihrer wunderbaren Stimme direkt in die Herzen der Zuschauer. In kurzer Zeit erleben sie ein Wechselbad der Gefühle, das vom fröhlichen Lachen bis zu tiefer Traurigkeit reicht. Denn Mary spricht Empfindungen, Träume und Sehnsüchte an, die uns alle berühren. Das ist wohl die hohe Kunst der Travestie, die Verwirrung der Gefühle. Und doch steht hinter all dem Masken immer der Mensch – und dafür wird sie geliebt.
Berlin Programm 09.98