Der Travestie, der keiner ist
Montag, 14. September 1998
Berliner Zeitung (Ijoma Mangold)
"Mary in Berlin" heißt Marys neue Show in Berlin
Sein Publikum muss Georg Preuße, alias Mary, nicht zum Klatschen tragen. Noch bevor er auf der Bühne erscheint, schon wenn die Lichter des Theaters am Kurfürstendamm heruntergedimmt werden, gibt sich das Publikum applaudierend geschlagen. Mary muß es nicht erobern, nicht erst bei seinem Namen rufen, es ist schon sein. Oder ihrs. Diese letzte Ungewissheit ist überhaupt das eigentliche Mysterium des Abends.
Denn was als die Revue beginnt, endet – um es hoch zu hängen – als mystische Feier der unverfügbaren Identität. Nachdem man drei Stunden (!) eine geistreiche, oft komische und immer reizvolle weibliche Mary gesehen hat, die so apart mit ihren zarten, langen Beinen zu kokettieren wusste, lässt sie Stück für Stück ihre Hüllen fallen.
Aber was dann übrigbleibt, ist weder Eva-Kostüm, noch alter Adam. Auch nicht irgendwas dazwischen. Sonder einempfindsames Ich, das unserer Wahrnehmung für einen unheimliche Augenblick ins Wanken bringt.
Und so wurde mit Standing Ovations ein Abend gefeiert, der eine perfekte, nie penetrant tuntige, deshalb glaubwürdige Mary zeigte, die mit professioneller Schlagfertigkeit und wunderbar modulationsreicher Stimme über Gott und die Welt palaverte.
Berliner Zeitung (Ijoma Mangold)